Eine Stadtwanderung für Milongueros
Im Burggarten, vor der Karlskirche, im Volksgarten und an der Alten Donau sieht man Paare den Tango Argentino tanzen. Die sommerlichen Milongas, unter freiem Himmel und in luftigen Pavillons, sind wieder da. Sie bringen Tangueros ins Stadtbild, die den Tango in Wien lebendig und sichtbar machen. Vorbeikommende und Touristen erfreuen sich an Musik und Tanz, sind zum Verweilen und Goustieren eingeladen und bilden, umgeben von romantischen Plätzen, einen inspirierenden Rahmen für die Tanzpaare.
Die sommerlichen Milongas haben schon eine lange Tradition in Wien. Mit Mitte Mai beginnend, wird bis Anfang September dem Tango gehuldigt. Ihre Gründungen verliefen meist recht unkonventionell durch aktive Tangotänzer, die (manchmal ohne lange nachzufragen) markante Plätze in Beschlag nahmen und so ein gerne angenommenes Angebot für die Tangogemeinde schufen. Ich möchte Sie auf eine kleine Milonga-Stadtwanderung mitnehmen und die Locations vorstellen. Aktuelle Termine und Veranstaltungsinformationen finden sie im bekannten Wiener Tangokalender: www.tango-vienna.com. Infos zu allen anderen Locations der Stadt finden sie auch hier auf dem Tango-Blog .
1. Crossovermilonga im Burggarten
Beginnen wir am Samstagabend und im Herzen von Wien. Auf den steinernen Stufen der Treppe, die zur Nationalbibliothek hinauf führt und Teil des historischen Ensembles der Alten Wiener Burg ist, lassen sich die Tänzer nieder. Davor liegt eine scheinbar endlose, marmorne Tanzfläche, die sich bis zum Schmetterlingshaus hinzieht und erst vor dem Palmenhauscafé enden möchte. Näher ins historische Zentrum von Wien kann man nicht gelangen, will man draußen tanzen.
Die vielseitige Freiberuflerin Susanne Maurer nahm im Sommer 2004 auf eben dieser Marmortreppe vor der Nationalbibliothek Platz, um per Kassettenrekorder und ohne Vorbereitung, Tangos zu spielen und zum Tango zu animieren. Heute, 14 Jahre später zählt die „Milonga im Burggarten“, zu einer der Beliebtesten in Wien und ist wohl auch eine der größten, was die Zahl der Tangueros angeht. Sie gehört zum Konzept der Crossovermilongas, die noch weitere Locations bespielt. Unterstützt wird DJ „Soozie“ von Martin Haslehner , der den Ruf hat, ein ausgezeichneter Kenner der EDO-Tangos zu sein. Er hat die Kunst, alte Schellack- und Vinylplatten zu digitalisieren, in einmalige Höhen getrieben und bringt Originalaufnahmen in ihrer Ursprungsqualität mit. Die DJs Soozie & Martin spielen im Burggarten einen Mix aus traditioneller Musik, überrascht das Publikum aber auch mit unkonventioneller musikalischer Kost, ganz ihrem dem Credo verhaftet: „Der Tango ist vielfältig, er muss nicht unbedingt strikten Regeln folgen.“ Spontan mischen sich immer wieder Touristen und weniger Geübte zu den Tänzern und so geht es auf einer Burggartenmilonga recht zwanglos zu. Um Punkt zehn ist Schluss. Die Tänzer und auch manches sich neu gefundene Paar wechseln in das Palmenhaus Café und Bar hinüber, um den Abend in die Nacht hinein, in mediterranem Flair ausklingen zu lassen.
2. Milonga am Karlsplatz
3. XPT Milonga im Volksgarten Pavillon
Der Pavillon im Volksgarten, von Oswald Haerdtl erbaut, gilt als eine Stilikone der 1950er Jahre. Es gibt wohl kaum einen lebendigeren und gleichzeitig schöneren Platz, wie hier, unter alten Kastanien eine laue Sommernacht zu erleben, einen großartigen Blick auf den Heldenplatz haben und mitten in der Stadt an einem Bach zu sitzen. Das Tango XPT-Konzept, es stammte ursprünglich vom Berliner Alexander Darda, wurde vor 10 Jahren vom Augsburger Peter Seitz mit TanDo aufgegriffen und in München weiterentwickelt. Vor sechs Jahren hat die Wienerin Alessandra dann ihren Peter kennen und lieben gelernt. Peter ist nach Wien gezogen und hat das XPT Konzept mitgebracht. Gemeinsam leben die beiden den Tango als Beruf, Hobby und künstlerisches Gesamtkonzept das Musik, Tanz, Kunst, Fotografie und Multimedia umfasst. XPT bedeutet „Experimental“ – damit wollen sie auch andeuten, dass es ihnen um „ihren“ Tango geht, welcher uns verzaubern, überraschen und auch mal zum Lachen bringen kann. Längst schon sind die XPT Milongas (im Winterquartier im Weberknecht, und seit heuer im Sommerquartier im Pavillon) fixer Bestandteil der Wiener Milongaszene. Es gibt Abende da, werden fast gar keine typischen Tangos gespielt, da kommt das französische Chanson, das Wienerlied oder die italienische Arie vor. Jeder Abend ist anders, es gibt keine statische Playlist, die DJs versuchen dem Flow der Tänzer zu folgen und deren Gemüts- und Stimmungslagen entgegenzukommen. Vielleicht ist es ausgerechnet das Unübliche, aber ganz sicher ist es das Ambiente, dass dazu beiträgt, dass sich diese Milonga durch Kultiviertheit auszeichnet und eine Fangemeinde angezogen hat, die es versteht, sich mit gewisser Eloquenz dem Tango hinzugeben.
Der Pavillon ist von einem Gastgarten umgeben, der durch Hecken und Sträucher geteilt, Ruheoasen mit vielen Tischchen und Stühlen bildet, die zum chillen einladen und wo sich, dank einer guten Küche auch hervorragend essen und trinken lässt. So ist diese Milonga auch eine Empfehlung dafür, nicht tanzende Freunde mitzubringen oder möglichen Tangokandidaten richtig Lust auf den Tango zu machen.
4. Latinanza an der Alten Donau
5. Estrella Fugaz an der Alten Donau
Bereits im Fin de siècle , der Zeit von Freud und Jugendstil wurde im „Krize-les-bains“, wie das Donaustrandbad Kritzendorf am Stadtrand genannt wurde, zur Musik der Strandorchester und im Badekostüm Tango getanzt. „Das soll auch in der Gegenwart schon vorgekommen sein“, erzählt Beate Wist, Veranstalterin einer ganz besonderen Open-Air-Milonga.
Estrella Fugaz feiert heuer das 20-jährige Bestandsjubiläum. Seit 1998 (!) betreibt Beate Wist diese Milonga und keine Veröffentlichung über die Entwicklung des Tangos in Wien kommt ohne ihre Nennung aus. Die „Sternschnuppe“, wie die spanische Übersetzung lautet, ist die vielleicht puristische Milonga, die es überhaupt geben kann. Obwohl nur einen Katzensprung von der Großstadtnervosität entfernt, liegt dieser Ort in größter Distanz zu ihr. Es kann zwar vorkommen, dass sich ein paar Jugendliche noch per „Köpfler“ von der Holzplattform ins Wasser werfen, während die ersten Tänzer schon zueinander finden, aber das ist nur skurriles Beiwerk zum Erzählen. Natur und Tango pur für alle, die sich auf die einfache, achteckige Holzterrasse wagen, die auf Stelzen über das Wasser der Alten Donau ragt. Sie fällt ohne Geländer zum Wasser hin ab, kein Schnickschnack, kein künstliches Licht, nur Stille und die Großstadtskylinie im Hintergrund – hier wird der Tango in seiner Essenz genossen. Darauf legt DJ Beate auch großen Wert. Wer sich seit Jahrzehnten mit dem Tango beschäftigt und zur Gründergeneration der modernen Tangoszene in Wien gezählt wird, bringt wohl jenen Grad an Wissen, Feeling und Musik mit, die den Milongueros so richtig etwas mitgibt. Beate hat Dutzende Tanzlehrer und Musiker aus Argentinien kennengelernt und war deren Schülerin in Wien. Von daher hat sie ihr Qualitätsverständnis und die Möglichkeit eine traditionelle Milonga anzubieten, die sich unterscheidet. Für zwischendurch und zum Ausklingen lassen, bietet sich das bodenständige Strandbeisl vis a vis an.
Vielleicht ist es der eng umrissenen Begrenztheit einer Plattform geschuldet, welche übergangslos ins Nichts abfällt, dass sich zwischen den Tänzern eine intimere Spannung aufbaut als anderswo. Vielleicht liegt es an der Musikauswahl. Es wird von Fall zu Fall anders sein, aber niemand geht von hier weg ohne ein tieferes Tangoerlebnis genossen zu haben, dass man als ruhig als „magisch“ bezeichnen darf.
6. Tango Germano Open Air
Wer an der Milonga am Yppenplatz vorbeikommt, gewinnt den Eindruck, dass der Tango in Wien nirgendwo besser hinpasst, als in die Mitte von Ottakring. Altwiener Grätzlflair, türkisch geprägtes Multikultiambiente, der Brunnenmarkt, eine Armada an Tischen und Stühlen, die zu einem Dutzend Lokale gehören und von einem überwiegend Alternativen und eher studentischen Publikum bevölkert werden – und Mittendrinnen befindet sich die Tanzfläche am Yppenplatz. Mittendrinnen auch, der aus Salerno stammende Germano Milite, der hier die Tangogemeinde zu einer traditionellen Milonga versammelt. Auch könnte wohl nichts besser zum Charakter eines Italieners passen, als wie diese Piazza mit ihrer Vielfalt, lauten Fröhlichkeit und ausgelassener Stimmung. Es geht zwanglos zu und die Möglichkeit zwischendurch mal eben zwischen verschiedenen Lokalen zu wechseln, eine Pizza zu essen oder ganz einfach seinen Geburtstag mit Freunden bei Tango und Kulinarik zu feiern, trägt zu entspanntem südländischen Tangofeeling bei.
Germano (Tango Germano) Milite lebt seit dreizehn Jahren in Ottakring und wurde mit Milongas und Workshops, die anfänglich allesamt in seinem Wohnzimmer stattfanden, ein Szenebegriff. Er hat ein eigenes und spezielles Unterrichts- und Workshopkonzept entwickelt, dass er Schülern – nur im kleinen Rahmen – in der nahe gelegenen „Kunst-Tank-Stelle“ erfolgreich anbietet. Zugleich bildet sie auch eine Winter- und Schlechtwetter-Dependance, wodurch die Tango Germano Milonga ganzjährig im Milongakalender vertreten ist.
www.tangogermano.com
7. Tango Cafe Open Air Milonga an der Donau
Auch 2018 lädt DJ Isi Osmani zu einer Sommer Milonga direkt an der Donau ein. Und wieder bietet sich ein fantastischer Blick auf die abendliche bzw. nächtliche Skyline der Donaucity. DJ Isi stammt aus dem Kosovo, hat in Heidelberg Politikwissenschaften studiert und lebt seit 2014 in Wien. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Kunst- und Ausdruckstherapeutin Elisabeth Tolloy, erfüllt er sich seine Tangoliebhaberei. Tango, in dessen ganzer facettenreicher Vielseitigkeit zu präsentieren, haben sie sich zu ihrer Aufgabe gemacht und ist ihnen Herzensangelegenheit. So bereichern sie die Szene und sind mittlerweile zu sehr engagierten und umtriebigen Milonga Veranstalter gewachsen. Z.B. ist ihre Milonga in der Kornhäuslvilla längst sonntäglicher Fixpunkt im Wiener Tangokalender. Hier wie dort sorgt DJ Isi mit seiner entspannten und lässigen Art für Wohlfühlstimmung und die traditionelle Musikauswahl führt direkt in die Beine der Milongueros. Oft aber überrascht die letzte Stunde der Milonga mit alternativen Tangos, die eine eigene Anhängerschaft gefunden haben. Entsprechend offen ist das Publikum zusammengesetzt. Jeder wird herzlich begrüßt, viele kennen sich, niemand wird ausgeschlossen, man darf sich auch ungezwungener geben, was aber nicht bedeutet, dass hier auf Umgangsformen und äußerer Auftritt verzichtet wird. Die Location ist bekannt für das mediterrane Restaurant Delphin, welches direkt an der Donau liegt, in der Zwischenetage eine Longe und Bar zum chillen bietet und im Obergeschoss, „hoch“ über der Donau, unter freiem Himmel und über einen Fußgängersteg direkt mit der Stadt verbunden, finden wir eine kleine und intime Tanzfläche, die Platz für ein Dutzend Paare hat. Laue Sommernächte an einer ruhig vorbeifließenden Donau und umgeben vom Tango, …was will der Milonguero mehr.
Tango Cafe Milonga
Milonga in der Kornhäuslvilla, Blogpost auf Tango-Blog.at
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