Einen kurzen Abriss einer hundertjährigen Geschichte des Tangos in Wien, hat der Wiener Journalist, Kulturtheoretiker und Tangojünger Otto Eder vorgelegt.
Er nennt sein Werk eine Kompilation , für die der Autor das Format einer chronologische Historie gewählt hat, die sich auf 117 Seiten erstreckt, die er 1910 beginnen und um 2005 enden lässt. Sein Buch stützt sich zuerst auf alte Chroniknotizen und Zeitungsberichte und führt den Leser zum Ende hin, durch immer persönlicher gefärbte und kommentierte Erlebnisse, des Zeitzeugen Eder, in die Gegenwart. Das im Eigenverlag erschienene, in Stil und Aufmachung wissenschaftlich gestaltete Buch, legt dem tangoaffinen Wiener eine Fundgrube mit zahlreichen „Aha-Effekten“ vor. Mit akribischen Quellenangaben, zahlreichen schwarz-weiß (!) Fotos, Abbildungen von Karikaturen, Plakaten und Flyern und einem Namensregister versehen, punktet es mit Vollständigkeit, die sogar als unterhaltsame Diplomarbeit durchgehen könnte.
Der 75-Jährige, heute in Triest lebende, Otto Eder, ist in der Wiener Tangoszene kein Unbekannter. War er doch über Jahre selber fester Bestandteil dieser Szene, ihr Beobachter und dessen Kommentator als Herausgeber eines Tangomagazins. Das halbe Buch widmet sich dem Zeitraum bis zum Ende der 1920er Jahre: Das geschwungene Tanzbein, der Tango im Frack bei Champagner und in die Hölle spielte sich zwischen Kritzendorf und Semmering ab – sind Kapitelüberschriften, die einen Hang zu ironischen Kommentaren widerspiegeln. Sie begleiten eine übervolle Sammlung von Zitaten und Berichten, die einen schmunzeln machen und ein lebhaftes Bild des Tango und der Gesellschaft von damals bieten. Was die Tageszeitungen schrieben oder das Feuilleton der „Neuen Freien Presse“ präsentierte war skurril, witzig und zumeist dem Wettstreit von Walzer und Tango geschuldet. Selbst der große Karl Kraus ließ sich1914 in seiner Fackel, zu einem „Der Sieg des Walzers über den Tango“ hinreißen. Am Ende könnte man fast der Meinung sein, es hat sich bis heute nicht viel verändert.
Naturgemäß bietet der Zeitraum der Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre nur wenig über den Tango in Wien, trotzdem gelang es Otto Eder, das Wenige zu recherchieren und die, mehr an Verrücktheiten erinnernde Art und Weise, wie man den Tango sah, zu schildern. So richtig in Fahrt kommt das Buch dann wieder, beim Versuch den Ausbau und die Reifung der Tangoszene in Wien, ab den beginnenden 1990er Jahre bis Mitte der Nuller Jahre, zu dokumentieren. Die Genese einer Szene , nennt es der Autor. Er meint damit den Tanz und die Milongaszene. Eder versucht die Frage zu beantworten, wann, wie und wer den Neustart der Tangoszene in Schwung brachte und widmet sich der seither immer wieder aufflackernden Diskussion um den „richtigen“ Tango. Dabei bleibt er seinem Stil treu und lässt ausgewählte Protagonisten zu Wort kommen, die er zahlreich davon vorstellt. Menschen, denen wir heute in der Szene begegnen, von denen wir oft gar nicht wissen. Dadurch gewinnt man den Eindruck, dass der getanzte Tango in Wien, seit jeher eine lokale Färbung hat, die sich einem Fremden nur nach und nach erschließen wird. Das Buch ist eine gute Möglichkeit, den Tango, so wie wir ihn aktuell in Wien vorfinden zu verstehen und könnte damit so manche „ideologische“ Gespanntheit zwischen Modernisten und Traditionalisten entspannen. Otto Eder beendet seine Zeitreise Mitte der 2000er Jahre mit einem letzten Seufzer und empfiehlt sich allen, die einen kompetenten, aber auch sehr kompakten Überblick zur Geschichte des Tangos in Wien und einiger ausgewählter Mitwirkenden suchen.
Otto Eder, Tango! Ein Fremdling in Wien, Eigenverlag – El tango. Revista viena. Sonderedition, Wien 2018, DIN A4, 117 Seiten, zahlreiche Abbildungen.
Bestellungen bei: [email protected] ; Preis € 15
Zur Person Otto Eder: 1942 in Wien geboren, studierte er Kunst an der Hochschule für angewandte Kunst (Diplom), danach an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst (Film und Fernsehen). Tätigkeiten als Künstler, Kulturtheoretiker und freier Journalist. Von 2003 bis 2013 Herausgeber der Reihe el tango. revista viena. Lebt in Wien und Triest.
Bild: ©Privat
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