Colgadas – Fliehkraft genießen. Volcadas – angelehnt tanzen. So versprach es die Vorankündigung und genau das wollte ich. Schwungvolle Drehungen und elegantes Führen des freien Beins. Eine elastische Verbindung dieser beiden „Figuren“ in Umarmung und mit selbstbewusster Außenwirkung, das erhoffte ich mir. Wohl wissend, dass ich mich dafür wenig vorbereitet fühlte.
Chantal & Sebastian hatten zur 9. Wiener Tangobewegung geladen
Chantal Imboden & Sebastian Tkocz, vom Art. 13 Tango in Berlin , hatten zur bereits 9. Wiener Tangobewegung geladen. Das Seminar in Wien erstreckte sich auf Samstag und Sonntag, denen am Freitag eine geführte – und für alle offene, Práctica vorangestellt wurde. Zur Práctica zeigte eine gut besuchte Galeria-Ideal das große Interesse an Chantal & Sebastian, dass über die reine Seminarteilnehmerschaft hinaus ging. Sie diente dem Kennenlernen von Chantal & Sebastian und bereitete auf ihre Unterrichtsmethodik vor. Sie ermöglichte Neugierigen ein Schnuppern und jenen, die keinen Platz im Seminar ergattern konnten, so doch etwas von Chantal & Sebastian mitzunehmen. Manche waren auch einfach nur wegen der Abwechslung da. Als Thema hatten Chantal & Sebastian Richtungsänderungen gewählt und boten ein paar interessante Alternativen dafür an, wie zB. die Richtungsänderung aus Ochos heraus oder auch vom Kreuz ausgehend. Basico-Jünger bekamen eine Ahnung, wie einfach die Alternative wäre, wenn man sich einmal dazu bequemt und die Seminarteilnehmer fassten Vertrauen zu ihren Lehrern.
Seminar: Die beiden Seminartage am Samstag und Sonntag, umfassten, jeweils am Nachmittag, zweimal fünf Stunden Unterricht. Die Teilnehmerzahl war auf 16 Paare begrenzt worden. Die Organisation durch Wolfgang Lachkovics hatte perfekt dafür gesorgt, dass sich das auch für die Singles ausging. Die Atmosphäre und Stimmung unter den Teilnehmern war gelöst und herzlich. Das Können der Teilnehmer war nicht zu weit gestreut. Jeder war zumindest Milonga geeicht. Einige kannten sich und waren Stammgäste, andere, so wie ich, waren zum ersten Mal dabei. Es gab eine Warteliste hatte ich erfahren. Chantal & Sebastian sind erfahrene Lehrer. Ihr Credo: “Schüler kommen nicht zum Lehrer um den Lehrer zu sehen, sie kommen weil sie selber tanzen wollen.” Ein Unterricht auf den Punkt gebracht fand hier statt. Das beruhigte mich ungemein. Die Langsamkeit und die Geduld machten den Unterschied – etwas, an dass ich mich erst gewöhnen musste. Ich beschäftigte mich fokussierter mit meinen „Unzulänglichkeiten“ und nahm die „Anderen“ kaum wahr. Alle Zeit der Welt zu haben, sorgte dafür, das auch alle viel zügiger und rascher voran kamen, als gedacht. Sogar der häufige Partnertausch machte mir keinen Stress. Vielleicht lag es daran, dass hier keine Figuren – im eigentlichen Sinn – vorgezeigt wurden, sondern nur die Bewegungsabläufe und wie Bewegung an sich funktioniert. Welche Muskeln und welche Kräfte im Spiel sind und welchen Raum man braucht. Niemand wollte hier irgendjemanden erklären was der richtige Tango ist und kein geckenhaftes Getue eines Maestros störte die Abläufe. Ganz im Gegenteil, kam man nicht weiter, ging/tanzte man einfach ein paar Schritte mit Chantal oder Sebastian und bekam punktgenaues Feedback welche Nuancen da im Körper oder an der Ausführung nicht so ganz zusammenpassten. Das gab mir Sicherheit und jenes Vertrauen in mich, dass ich suchte. Interessant fand ich auch, so eine Art Abschlussübung, bei der Chantal alleine eine Schrittfolge vortanzte und wir als Führende sollten uns überlegen, wie wir das mit der Partnerin umsetzen würden, um zum vorgezeigten Ergebnis zu kommen.
Das Ergebnis: Ich erkannte, dass ich meine Verbindung über eine antrainierte statische “Kompression” suche. Etwas, das sehr hinderlich für Colgadas ist. Colgadas sind nicht nur schwungvolle Drehungen, nein, sie sind besonders sanftes Gehen. Gegensätze die auseinanderstreben, wollen aber erst einmal verbunden werden. Ein natürlicher Vorgang, denn die Extension, also der Zug weg vom Partner, ist in erster Linie eine Streckung der Gelenke. Der Körper wird ganz von alleine länger, die Rotation folgt zwangsläufig. Das ist meine wichtigste Erkenntnis und es wird seine Zeit dauern, bis das aus der Umarmung heraus klappt – oder zu inniger Umarmung führt. Nein, Angst, eine Colgada zu tanzen habe ich nicht mehr. Sie macht sogar sehr viel Spaß, wenn man die Richtung im Griff hat, die wiederum eine Sache der Körperhaltung ist.
Volcadas sind ein zueinander geneigtes Führen des freien Beins. Ich erkannte, dass dieses Spiel eines “voneinander wegkehren und zueinander ziehen” völlig natürlich abläuft. Ja, wir tun es den ganzen Tag über, wenn wir uns die Hand geben, eine Tür öffnen, etwas tragen. Irgendwann klappte es dann tatsächlich, die Partnerin in eine Position zu führen, die in Folge einen fließenden Wechsel zwischen Colgada und Volcada, in enger oder offener Umarmung, schafft, um einen dynamischen und abwechslungsreichen Tanz zu erleben. Dass es gelingt, habe ich erlebt.
Info: Chantal Imboden ist Schweizerin, Sebastian Tkocz Berliner. Seit 20 Jahren betreibt das Paar eine Tangoschule in Berlin. Sie bieten Anfänger und Fortgeschrittenen einen didaktisch ausgefeilten Unterricht. Die Seminare der Tangobewegung finden in verschiedenen Städten Deutschlands und in Wien statt.
Tangobewegung | Art. 13 Tango Berlin | Galeria-Ideal
Kontakt in Berlin [email protected] | Kontakt in Wien [email protected]
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