Der 23. März 2018 war ein guter Tag für den Tango in Wien. Zum einen gastierte mit dem Solo Tango Orquesta eine musikalische Größe der Tangowelt in Bisamberg und zum anderen hatte sich eine Newcomerin der Milongaszene gleich an ein großes Ding gewagt. Am Ende hatten 200 Konzertbesucher ein einmaliges Musikerlebnis genossen und ca. 140 Paare bis in den frühen Morgen getanzt.
1. Das Konzert mit Solo Tango Orquesta
Die Musikfreunde Bisamberg , mit Christian Roscheck an der Spitze, haben es sich zum Ziel gesetzt ihrem Publikum im Festsaal des Schlosses von Bisamberg, Konzerte auf hohem Niveau zu präsentieren. Mit dem russischem Ensemble Solo Tango Orquesta gelang es den Musikfreunden Anspruch und Wirklichkeit auf höchstem Level miteinander zu verbinden. Das aus Moskau angereiste Orchester ist seit seiner Gründung im Jahr 2010, zu einem der ganz großen Tangoorchester gereift und weltweit im Dauereinsatz. Der Erfolg kam nicht von ungefähr und hängt wohl auch etwas damit zusammen, dass sich Moskau derzeit als echter Hotspot des Tangos entwickelt. Man denke nur an die Tango-Weltmeisterschaften 2017 (Tango Buenos Aires, Festival y Mundial), welche vom Wettbewerb zwischen argentinischen und russischen Paaren geprägt waren. Das Solo Tango Orquesta begleitet das, schlussendlich achtplatzierte, Paar Dmitri Vasinund und Sagdiana Khamzina.
Nicht zu unrecht gilt das Quartett als eines der führenden Ensembles seines Faches. Sie beherrschen ihr Handwerk und der Klang des Orchesters unterscheidet sich durch perfektes Stilgefühl, kraftvolle Energie und präzise Aufführungsqualität ganz deutlich von der Konkurrenz. Mit einem Repertoire, das komplexe Tangolieder, die in großen Konzertsälen gut klingen umfasst, aber auch Klassiker der besten Tanzmusikorchester der „Época de Oro“ einschließt, die sie auf Milongas spielen, touren sie um die Welt.
Alexander Ryazanov (Violine), Artem Timin (Klavier), Ilya Alpeev (Kontrabass) und Pavel Ratynsky (Bandoneón), sind zwischen 27 und 34 Jahre alt. Alle vier haben sie eine klassische Musikerausbildung hinter sich, den einen oder anderen Musikpreis in der Vitrine stehen und tragen eine anhaltende Liebe zum Tango mit sich. Bevor sie sich trafen, war jeder einzelne bereits ein international gefragter Orchestermusiker. Erst durch ihr Aufeinandertreffen wurde jedem von ihnen, das vorhandene Tangopotenzial so richtig bewusst, an dem kein Weg mehr vorbeiführen würde. So entschieden sie sich für den Tango als ihren gemeinsamen musikalischen Weg und verließen die Bühne der klassischen Orchestermusik.
Ihr Konzert im Festsaal des Schlosses Bisamberg, war stark an Astor Piazzolla orientiert. Das war eine gut Entscheidung, denn wenigstens die Hälfte des Publikums waren Abonnenten und Klassikliebhaber. Ihnen gefiel die Präzision mit der die vier auf der Bühne agierten. Die Dynamik am Klavier, das sehr eigenständig, lebhaft und im Kontrast zum Bandoneón spielte. Pavel Ratynsky wirkte eher minimalistisch am Bandoneón, was gerade bei den Piazzolla Stücken gut ankam. Aber er konnte auch anders. So lieferte er eine punktgenaue Show zu „Watashi“ des japanischen Komponisten Taro Hakase, welche das Publikum mitriß. Spätestens bei diesem Stück wurde auch den Tangolaien im Publikum klar, dass sie es hier mit einer facettenreichen Musikform und Klassekünstlern zu tun hatten, die genau wussten was sie taten. Beim “Vals numero uno” von Artem Timin, zum Beispiel, schwieg das Banoneón und die Violine von Alexander Ryazabov holte sich Sympathien beim Publikum ab. Ryazabov gab zwischendurch auch einen launigen MC, während Bassist Ilya Alpeev recht kraftvoll im Hintergrund das Quartett vorantrieb. Dem Publikum wurde viel geboten, es dankte mit hochgradiger Aufmerksmakeit. Bis zum letzten Takt, der letzte Note und auch noch das letzte Stücken Klangschwingung wurde aufmerksam aufgenommen. “ Etwas, dass dieses Publikum auszeichnete und in dieser Form auch das Orchester beeindruckte”, wie mir Pavel Ratynsky nach dem Konzert sagte. Sie waren das erste Mal in Wien und es bleibt zu hoffen, dass sie bald wiederkommen.
Playlist: 1. S et: Canaro en Moscu (J. Caldarella/A. Scarpino, Arr. Solo Tango) | Revirado (Astor Piazzolla) | Jacinto chiclana (Astor Piazzolla) | El choclo (Ángel Villoldo) | Vals numero uno (Artem Timin) | El ultimo Cafe (Héctor Stamponi, Arr. Solo Tango) | El arranque (J. De Caro, Arr. El Arranque) | Chiqué (R. Brignolo, Arr. Pugliese) | Obertura („Forever Tango“ Tango Show) 2. Set: Los mareados (Juan Carlos Cobian) | Watashi („Forever Tango“ Tango Show) | Biyuya (Arr. Solo Tango) | Mi refugio (Juan Carlos Cobián) | Ausensias (Astor Piazzolla) | Tzigane Tango („Forever Tango“ Tango Show) | Primavera porteña (Arr. Color Tango) | Oblivion (Astor Piazzola) | Libertango (Astor Piazzolla) | Vayamos al Diablo (Zugabe, Astor Piazzolla)
2. Die Milonga mit DJane Anna Poliakova
Die „Sommelier de Chocolates“ und Inhaberin der Schokoladenmanufaktur „bitter süss“, Gesa Weitzenböck aus Wien, ist begeisterte Milonguera, zeichnete für die Milonga organisatorisch verantwortlich. Sie hatte Anna Poliakova engagiert, die aus St. Petersburg angereist war. Die international erfahrenen DJane, die selbst seit zehn Jahren Tango tanzt, hatte die nicht leichte Aufgabe, den Übergang von der Wucht des Konzerts und einer daran anschließenden Umbauphase, zu stemmen und nach einem Zwischenspiel des Orchesters, einen würdigen Schlussakkord zu setzen.
„Für Tänzer zu spielen ist magisch, weil ich die Möglichkeit habe, Stimmungen zu schaffen, die sie ein wenig glücklicher machen, sie in einen Flow begleiten oder ganz einfach nur um ihnen eine gut Zeit zu verbringen,“ erklärte sie ihren Zugang als Milonga DJ. Sie beobachtet ihren Wirkungsgort und versucht ihn zu beschreiben und daraus folgt dann die Musikauswahl. „ Den Festsaal in Bisamberg, empfand sie als fröhlichen Ort der Begegnung unter Freunden, die eine gewisse Feierlichkeit mitgebracht hatten.“ Anna ist eine Freundin der traditionellen Milonga, weshalb Tandas und Cortinas selbstverständlich sind. Nach einem schüchternen Beginn, füllte sich die Tanzfläche dann doch rasch und die Milonga nahm an Fahrt auf. Anna Poliakova spielte dann auch hauptsächlich Klassiker. Sie ging kein Risiko ein, kannte sie doch das Publikum nicht, denn es war ihr erstes Engagement in Wien. Deutlich entspannter ging Sie nach der Milongaeinlage des Orchesters ans Werk. Die Stückauswahl war stärker am Gedanken, das Publikum in einen Flow zu führen orientiert, was soweit ganz gut gelang. Die anwesende Wiener Tangoszene kam auf ihre tänzerischen Kosten.
3. Die Milonga mit
Solo Tango Orquesta live
Die vier Herren auf der Bühne bewiesen Routine und Übersicht. Es war nicht anders zu erwarten. Piazzolla war zuvor im Konzert schon verarbeitet worden, so wurde auf recht schwungvolle EDO-Klassiker gesetzt, aber auch immer wieder ein Stück aus dem Tangomusical „Forever Tango“ dazwischen gereicht. Der Humor, dürfte einen Wesenskern der jungen Musiker ausmachen, manches wurde da mit Augenzwinkern gespielt. Die Milongagemeinde war zufrieden.
Solo Tango Orquesta Diskografie: Das Solo Tango Orquesta hat bisher drei CDs veröffentlicht, die einen Überblick der Historischen Entwicklung des Tango wiedergeben. Ihre aktuelle CD: Solo Tango Orquesta & Lautaro Greco ist eine Live-CD, eines Konzerts mit dem Bandoneónisten Lautaro Greco.
Musikfreunde Bisamberg | Veranstaltungs-Homepage | Solo Tango Orquesta | Anna Poliakova | Gesa Weitzenböck
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