Was ist eine Tango-Oper? Wie verstehen zeitgenössische Musik schaffende unter einer Weiterentwicklung des Tangos in unserer Zeit? Zu diesen Fragen habe ich den künstlerischen Leiter von „Una noche en Buenos Aires“, Pablo Boggiano und den Komponisten der Oper „Mateo“, Martin Palmeri in Wien zum Gespräch getroffen.
„Es gibt genau zwei Städte in der Welt, die für eigene, unverwechselbare und weltweit erfolgreiche Musik- und Tanzstile stehen. Das ist Wien und Walzer, das ist Buenos Aires und Tango“ , erklärt Pablo Boggiano, der in Buenos Aires geboren ist, dort aufwuchs und seit 16 Jahren in Wien lebt. „Ich kam mit einem Koffer Astor Piazzolla Platten hier an. Ich war aber gekommen um Mahler und Beethoven zu studieren. Von Anfang spürte ich, dass ich mich entscheiden werden müsste zwischen meiner Argentinischen Seele und dem Leben in Wien. Seither versuche ich aber auch, die beiden Seelen in meiner Brust zufrieden zu stellen. Und das konnte ich in Wien finden. Oper UND Tango.“
„Die moderne Welt bewegt sich in einem ständigen Kampf zwischen dem Alten und Traditionellen und dem sich rasant entwickelnden Neuen,“ sagt Martin Palmeri, ein klassischer Musiker und Komponist, der in Buenos Aires lebt große Erfolge mit Tango feiert: „Habe ich den Tango entdeckt oder hat er mich entdeckt? Ich weiß es heute nicht mehr. Jedenfalls wurde ich unmittelbar und sofort von ihm in Besitz genommen. Der Tango ist ein eigenes Universum. Als Musiker bietet er mir höchste Flexibilität und vielfältige Möglichkeiten an.“
Ein neu entwickelter Tango muss weiterhin auf Sprache und Instrumentierung des ursprünglichen Tango basieren
Der Anspruch von Pablo Boggiano war und ist es, etwas Neues zu machen. „Eine Tango-Oper ist in Wien etwas Neues. Etwas, dass für das Publikum schön ist. Schön zu sehen ist. Ein Konzept mit Gesang, Orchester mit Bandoneon und mit Argentinischem Tanz gemeinsam auf einer Bühne. „Una noche en Buenos Aires“ ist eine Hommage an Wien. Ein Danke an Wien. Gedacht als ein Mix aus Jugendstil und Porteño. Inspiriert hat mich dabei „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauss. So ein Abend ist nur in Wien möglich. Nicht in London, nicht in New York, nicht in Berlin.“
„In Südamerika haben wir eine sehr, sehr starke Trennung zwischen den Genres klassische Musik und populäre Musik. Damit hatte seinerzeit Piazzolla zu kämpfen. Ähnlich wie er möchte ich diesen beiden Universen verbinden. Das ist meine Art etwas Neues im Tango zu schaffen,“ sagt Martin Palmeri. Größten Erfolg hatte Palmeri dabei mit seiner Tangomesse „Misa Tango“, die weltweit hunderte Male aufgeführt wurde und wird und mit der er schon vor Papst Franziskus im Vatikan gastierte.
Eine Tango-Oper erscheint einem Wiener exotisch und vielleicht auch Unmöglich. Tatsächlich ist sie in Argentinien nicht Ungewöhnlich. Bekanntestes Werk ist sicherlich Astor Piazzollas „Maria de Buenos Aires“ . Eine surreale Oper um die Prostituierte Maria und ihren Tod. Ein zeitgenössisches Stimmungsbild mit Orchester, Gesang und Tanz. 1968 uraufgeführt, gilt sie heute als die Personifizierung des Tangos und Klassiker des Tango Nuevo. Pablo Boggiano stellt ihr in „Una noche de Buenos Aires“ die Kurzoper „Mateo“ von Martin Palmeri gegenüber. Die Geschichte einer italienischen Einwandererfamilie um 1940. Eigentliche Hauptrolle hat ein Pferd. Welches als Symbol, die Tragödie der Familie lebt.
Eine Oper, das ist meine Art etwas Neues im Tango zu schaffen
„Ich war 23 Jahre alt, als ich diese Oper schrieb. Hatte kaum noch Erfahrung“, erklärt der Komponist Martin Palmeri, „geschrieben und komponiert ist sie in der Struktur einer italienischen Oper. Musikalisch umgesetzt mit den Mitteln des Tango. Die wesentliche Herausforderung in ihrer Aufführung besteht in der Entwicklung der Stimme der Sänger. Klassische Opernsänger haben nicht die Argentinische Seele. Sie verstehen zunächst nicht, wie die Stimme zum Tango eingesetzt werden kann. Die Argentinischen Cantor in der Tradition des Tango Canción wiederum hat keine Operntaugliche Ausbildung.“ Mateo ist musikalisch breiter angelegt und hat einen recht dominanten Chor. Dazu kommen noch die Tango-Tänzer die ihre eigenen Interpretationen einbringen. „Stimme, Sprache und Tanz sind die Elemente die eigentlich nur vom Argentinier kommen können,“ pflichtet Pablo Boggiano bei, „die Sprache im Tango ist nicht (nur) Spanisch, ein Dialekt oder das Lunfardo. Tatsächlich hat der Tango eine eigene Grammatik, ein eigenes Vokabular und Silbenbetonung. Etwas dass, dem Argentinier in die Wiege gelegt wird. Ein neue entwickelter Tango ist nicht Tangofiguren zu Popmusik tanzen oder irgendeiner Musik eine Bandoneon zufügen. Ein neu entwickelter Tango muss weiterhin auf Sprache und Instrumentierung des ursprünglichen Tango basieren.“ Und abschließend: „Tango ist in Buenos Aires ja nicht nur Touristenartikel und Exportprodukt, sondern erfindet sich als Kraft ständig neu. Tango ist und bleibt dort lebendig und zeitgemäß.“
Gerade in den letzten Wochen erlebten wir in Wien eine Reihe an verschiedensten Ausprägungen der Tango Kultur. Neben der klassischen Tango-Milonga-Szene erlebten wir mit „Break the Tango“ eine Show, „Una noche en Buenos Aires“ gab gleich zwei Opern an einem Abend, die Messe „Misa Tango“ war als Chorfestival zu Gast, die Tänzerin und Choreographin Cornelia Voglmayr bot modern dance auf Basis von Astor Piazzolla. Es ist gar keine Frage, der Tango als Kultur- und Erlebnisraum ist sehr lebendig.
Info:
Pablo Boggiano, ist Italiener, stammt aber aus Buenos Aires und lebt seit 2001 in Wien. Er verfügt über eine Dirigentenausbildung (Nationales Konservatorium Buenos Aires). Dirigate mit Royal Philharmonic Orchestra London, Budapester Philharmonie, Sofia Philharmonic Orchestra, u.v.m. 2017 leitete er eine Koproduktion der Met New York und Covent Garden London im Teatro Colon in Buenos Aires. In Wien arbeitet er regelmäßig mit dem Schönbrunner Schloss Orchester und den Wiener Tonkunstvereinigung zusammen.
Martin Palmeri, ist ein 52jähriger Argentinischer Komponist und Preisträger einiger renommierter Auszeichnungen. Zunächst Avantgardist entdeckte erst später die traditionelle Volksmusik. Weltberühmt wurde er für „Misa Tango“. Das Werk wurde über 400 Mal aufgeführt. Er ist Komponist von Vokal- und Instrumentalwerken, von denen viele von Form und Harmonik des Tango Nuevo inspiriert sind, darunter Opern, Oratorien, Chor- und Orchesterkompositionen.
tango-opera.com
Fotos © Bernhard Siegl
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